Das Kuschelpony

Einige Monate nach unserem ersten Neuzugang kam eine Anfrage von Animal Spirit, ob wir für den letzten verbliebenen Hengst einen Platz hätten. Er ist extrem schwierig und daher sehr schwer vermittelbar. Er ist ein Exzemer und lebte ganzjährig auf einer Wiese ohne Wasserversorgung. Im Winter ohne Futter und im Sommer blutig gerieben. Keine Mähne und keinen Schweif.

Der kleine Hengst wurde vom Hof direkt in die Tierklink gebracht, ließ aber keinen Menschen an sich heran. Die Fotos von ihm bewegten uns dazu, ihn kennenlernen zu wollen. Also fuhren wir in die Klinik.

Dort fanden wir einen völlig verstörten und verunsicherten, beinahe panischen Hengst vor. Aber kein wirklich aggressives oder bösartiges Tier. Sobald die Boxentür aufgemacht wurde und jemand die Box betreten wollte, attackierte der Hengst blitzschnell. So eine heftige Reaktion haben wir selten gesehen. Das Attackieren war seine Reaktion mit seiner Angst und dem fremden Umfeld umzugehen. Aber es zeigte auch, dass er mit Menschen bereits extrem schlechte Erfahrungen gemacht haben musste.

In der einen Stunde, wo wir uns mit ihm beschäftigten, wurde er ruhiger und beschnüffelte uns am Ende sogar vorsichtig. Ohne uns dabei zu attackieren oder beißen zu wollen. Die Nacht lag ich fast gänzlich wach und überlegt, ob ich ihn zu uns holen sollte. Immerhin ist das auch für uns nicht ungefährlich. Einen rohen Hengst - vermutlich noch eher jünger - der nichts und niemanden an sich heran lässt und sein "Heil im Angriff" sieht.

Am nächsten Tag fuhren wir erneut zu ihm in die Tierklinik. Es war fix, dass er an diesem Tag die Klinik verlassen wird. Entweder zu uns oder zu Animal Spirit. Wir wollten sehen, ob er auch am nächsten Tag mit positiven Erinnerungen an uns reagiert. Dort angekommen erzählte uns die Tierärztin, dass der kleine Hengst gestern nach uns so ruhig war, wie noch nie. Und sogar das Mash ganz nahe bei ihr gefressen habe. So hätte sie ihn bisher noch nie erlebt. Damit war es fix - der Kleine kommt zu uns. Das Ver- und auch Entladen war (trotz Sedierung) spannend und ich bin heute noch froh und verwundert, dass er zu mir immer freundlich war und mich nicht im Hänger beim Ausladen attackierte.

Jetzt ist er also bei uns.....

Die beiden folgenden Fotos bieten einen Vergleich vom ersten Tag (Oktober 2021) zur aktuellen Zeit.



Monat 1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 10 / 12 / 13 / 14 / 16 / 17 / 18 / 19 / 21 / 23 / 25

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November 2023

Unser Kuschelpony pupertiert. Und stellt uns damit vor so einige Herausforderung. Mein Plan, im Herbst da weiterzumachen, wo wir Anfang Sommer aufgehört haben, geht nicht auf. Das Kuschelpony ist sehr nachtragend und sagt uns klar und deutlich, dass es die Halle nicht mehr mag. Da wir ihn nach der Kastration immer in der Halle bewegen mussten und ihm das weh tat - aber eben sein musste - verbindet er Halle mit einigem Negativen. Also kein Zaumzeug und auch kein Longiergurt anlegen mehr möglich. Außerhalb der Halle können wir alles machen, aber eben nicht mehr IN der Halle. Dazu kommt noch seine Pupertät. Wir lernen täglich ....

Er ist so anders, wie das Kellerkind. Das Kellerkind wollte unbedingt mitarbeiten und es gut machen. Unser Kuschelpony hingegen sagt prinzipiell zu allem Neuen: "Nein." Interessanter Weise darf ich aber schon am Stockerl neben ihm stehen und auch schon mal das Bein auf den Rücken legen. Er bleibt dabei ohne Panik stehen. Aber: Nur Ich. Wenn eine andere Person am Stockerl steht, dann geht er gar nicht hin.

Wir mussten in der Arbeit mit ihm sehr viel "neu" denken. Seine Verweigerung der Mitarbeit haben wir ignoriert und die Hallenarbeit komplett umgestellt. Kein Zaumzeug, kein Longiergurt, dafür mehr Freiarbeit und wir haben ihm auch mal Stangen am Boden gezeigt. Dabei war er unerwarteter Weise extrem kooperativ und hat uns wahnsinnig vertraut. Und war danach zufrieden, mega gelobt zu werden und die Aufgabenstellung mit unserer Hilfe gemeistert zu haben. Ebenso ist das Führen so viel besser geworden. Es gab Situationen, wo er sich noch vor ein paar Wochen einfach losgerissen hätte - und jetzt hüpft und weg möchte, aber da bleibt.

Das Kuschelpony - in sich so kontrovers. Wenn es darauf an kommt, dann vertraut er mir zu 120 % und verlässt sich auf mich. Und ich kann mich auf ihn verlassen. Auf der anderen Seite pupertiert er - was eigentlich ein Fortschritt ist. Er traut sich, zu pupertieren. Ohne Angst, (fast) wie ein normales Pferd.


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September 2023

Endlich können wir beim Kuschelpony verlässlich alle 4 Hufe aufheben. Zwar noch nicht wirklich auskratzen, dafür ist er zu ungeduldig. Aber immerhin. Die Hinterbeine waren überhaupt kein Problem und wesentlich einfacher, als seine Vorderbeine.

Der Sommer war ruhig, die Sehnen an den Vorderbeinen sind immer noch öfter angelaufen. Unser Kuschelpony wächst weiter und hatte viel Koppelzeit mit seinem neuen Freund. Beim Hereinholen gibt es überhaupt keine Probleme (wie vorher mit ihm und unserem Hafi). Jetzt stehen die beiden friedlich nebeneinander am Eingang und warten, bis sie geholt werden. Das Kuschelpony ist mit allen Herrn der Männer WG befreundet und möchte gerne mit allen gemeinsam auf die Koppel. Wir sind uns da noch nicht so sicher .... aber es wäre ein Plan für nächstes Jahr.


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Juli 2023

Unser Kuschelpony ist wieder entspannt. Halfter hinaufgeben, Decken hinaufgeben, Führen, alles kein Thema mehr. Wir hätten nicht gedacht, dass eine Kastration so viel bewirken kann. Er steht jetzt mit einem seiner Freunde gemeinsam auf der Koppel, lässt sich sogar zu zweit führen und am Waschplatz frei stehend abspritzen.

Da er immer wieder leicht angelaufene Sehnen an den Vorderbeinen hat, haben wir ein ruhiges Programm. Außerdem ist es so schön zu sehen, wie glücklich er mit seinem Kumpel sein Leben auf der Koppel genießt. Wir konnten ihm sogar schon Gamaschen vorne hinaufgeben. Zuerst ist er verwurzelt, dann wollte er sie abschütteln, aber dann war alles kein Thema mehr.

Sein Fell glänzt mittlerweile wunderschön braun. Ich wollte das so gern fotografieren, aber er mag keine Fotos. Sobald ich das Handy in seine Richtung halte ist er entweder weg oder steht wie das ärmste, kleinste Tier perfektest unvorteilhaft da. Fotografieren unmöglich...



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Mai 2023

Die Kastration ist gut gegangen. Ich bin so froh. Er war unglaublich - ein echtes Wildpferd mit unglaublichem Überlebenswillen. Selbst mit einer Sedierung für einen Elefanten hat er sich noch losgerissen und ist weggelaufen - ja, GELAUFEN. Irre. Und wieso fangen lassen? Kann kaum mehr stehen, aber wenn es darauf an kommt, ist er weg. Unglaublich... Aber - dank einer erfahrenen und geduldigen Tierärztin hat dann alles geklappt. Unser kleines Kuschelpony war danach nur kurz auf mich beleidigt. Er hat sich so brav versorgen und verarzten lassen - auch das unglaublich.

Ich muss immer daran denken, wie er uns in der Tierklinik beim Box öffnen angesprungen und angegriffen hat. Und jetzt darf ich alles machen, ihn zwischen den Hinterbeinen verarzten und versorgen und er ist brav und lässt es zu. Auch wenn es für ihn unangenehm und teilweise schmerzhaft ist. Auch das ist unglaublich. ER ist unglaublich.



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April 2023

Dieses Monat entwickelte sich unser Kuschelpony ein wenig zur Prinzessin. Er wurde sehr wählerisch, wer was tun darf. Das ging so weit, dass er nur mehr mir erlaubte, ihm das Halfter anzulegen. Und ab und zu gestattete er es mir auch nicht mehr. Dazu kamen noch einige Situationen, wo unser kleines Kuschelpony bei Dingen, die ich dachte, dass bereits sicher funktionieren, wieder in alte Angst-Muster zurückfiel. Etwas frustrierend für uns. Seit dem Tod des Kellerkinds ist es mit unserem Kuschelpony wieder schwierig geworden.

Dazu kommen noch Hengstische-Frühlingsgefühle. Die hatte er vorher nicht, weil unser Kellerkind das Kuschelpony immer im Rahmen gehalten hat. Das fehlt jetzt. Unser Kuschelpony ist nach wie vor extrem brav im Umgang. Aber er hat mich (als weibliches Wesen) extrem lieb, weiß aber genau, er muss sich bei mir benehmen. Tut er auch, aber es bedeutet für ihn extremen Streß. Er möchte - aber er benimmt sich mir zuliebe. Und ist hin und her gerissen. Ich muss extrem aufpassen, dass es ihn nicht "überkommt" und beim ersten Blubbern oder Vorderbein heben gegensteuern.

Keine gute Situation - also haben wir einen Kastrations-Termin ausgemacht. Mir ist sehr unwohl dabei. Erstens hat er insgesamt eine extrem schlechte Wundheilung. Zweitens weiß ich nicht, ob er die OP mit mir verknüpft und dann auf mich böse ist. Läßt er sich danach gut versorgen? Geht alles gut, er ist immerhin schon 7 Jahre? .... So bedeutet es für ihn nur Stress und ich kann mit ihm nicht arbeiten. Also muss es wohl sein. Ich hoffe und bange.



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März 2023

Dieses Monat war extrem. Unser Kuschelpony hat Selbstvertrauen aufgebaut und schon länger ab und zu beim Führen beschlossen, auszuprobieren ob er wirklich folgen muss. Da er weiß, er kann weg, nützte er es manchmal keck aus. Wobei er nicht weg läuft, sondern von selbst dahin, wo wir sowieso hin möchten. Trotzdem sollte er bei uns bleiben. Daher versuchte ich bereits sehr fein dosiert, ihn an diesem "weg" zu hindern. Großteils mit Erfolg und Belohnung für ihn.

Doch an einem Tag auf dem Weg zu Reithalle war es anders. Plötzlich rieß er sich los - durch ein Geräusch, eine Bewegung von mir oder auch durch unsere Hunde getriggert, wir wissen es nicht. Es war nicht frech, sondern heftig und aus Angst. Er lief auch nicht wie sonst in die Halle, sondern zurück in seine Box. Als ich ihn von der Box abholen wollte, stand er im letzten Winkel, zitterte am ganzen Körper, pure Panik im Blick. Er wußte in diesem Moment vermutlich weder, wo er war noch wer ich war. Totales Flash-Back. Er durchlebte in diesem Moment wieder seiner ganz persönlichen Hölle. Erst durch meine Stimme kam eine Änderung in seinen Blick und ein Erkennen, wer auf ihn zugeht. So panisch und zitternd habe ich bisher noch kein Pferd (auch ihn nicht) erlebt. Die Situation war grenzwertig, doch er ließ sich von mir wieder nehmen und berühren. Aber kein Hindenken mehr an Führen. Mit viel Geduld und Ruhe von uns, vielen Blitzstarts, vielem Steigen und letztendlich einem total verschwitztem Kuschelpony landeten wir an diesem Tag doch noch in der Halle. Er war völlig fertig und tat uns so unglaublich leid. Wir können uns nicht vorstellen, was er erlebt haben musst, um - auf eigentlich nichts - so panisch zu reagieren.

Zwei Dinge daran waren positiv: Ihm seine Box als sicherer Rückzugsort zu vermitteln ist gelungen - er lief in seine Box zurück. Und sein Vertrauen in mich ist so groß, dass er immer daran festhält, egal wie schlimm die Situation für ihn ist. Er will mich nicht verletzten. Bei traumatisierten Pferden passiert es immer, dass eine - für uns normale - Situation ein Flash-Back auslöst. Da man die Vorgeschichte nicht kennt, kann man auch nicht einschätzen, was ein Trigger ist. Es können absolute Kleinigkeiten, Gerüche, Berührungen oder eigene Bewegungen sein. Das macht das Arbeiten auch so schwierig und gefährlich. Flash-Backs hatte ich teilweise bei Korrekturpferden auch noch nach 1 Jahr, wo man selbst auf nichts mehr denkt und einen entspannten Umgang mit dem Pferd hat. Diese Situationen werden gefährlich, weil man selbst nicht mehr so wachsam und vorsichtig ist.

Natürlich hatte dieses Flash-Back von unserem Kuschelpony in seinem Verhalten Konsequenzen. In den folgenden Tagen waren wir wieder weit zurück. Er ließ sich nur sehr schwer ein Halfter hinaufgeben. Führen unmöglich, in der Reithalle hielt er extremen Sicherheitsabstand zu uns. Kein Herkommen, kein freies Mitgehen und ein Berühren schwer möglich. Also mussten wir wieder viele Schritte zurück. Wobei er so unglaublich lieb war. Ich versuchte trotzdem unseren "normalen" Alltag beizubehalten. Also auch wieder Führen. Wir kamen ca. 2 Schritte weit, dann begann er zu zittern und drückte seinen Kopf an mich, als wolle er sagen, ich will ja, aber ich habe so Angst. Entweder war er dann wieder weg oder wir kamen erneut 2 Schritte weit. Ich plante für ihn jeden Tag beinahe "open End" Zeit ein. So viel Zeit wie er brauchte, so viel Zeit bekam er. Mit den Tagen wurden die gemeinsamen Schritte immer mehr und das Losreißen immer weniger, weniger heftig und er blieb immer mehr in meiner Nähe bzw. kam er sofort wieder zu mir. Er begann auch wieder frei mit mir mitzugehen.

Nach ca. 2 Wochen wollte ich ihn Mittags wie immer aufs Paddock geben. Er bog nicht ab, blieb stehen und schubste mich fast in Richtung Reithalle. Als er dann von selbst losging, ging ich mit ihm mit. Er lief direkt in die Reithalle. So als wolle er mir zeigen, dass er jetzt auf diesem Weg keine Angst mehr hat und es richtig machen möchte. Er war unglaublich .... auch am nächsten Tag ging er direkt (mit mir am Strick) in die Reithalle und nicht zum Mittagsfutter. Seit dem haben wir keine Probleme mehr beim Führen. Er geht mit und wenn er Angst bekommt, bleibt er stehen, geht ev. einen kleinen Schritt retour und bleibt dann tapfer bei mir. Dieses Verhalten zeigt einen unglaublichen Charakter. Er WILL alles richtig und gut machen. Und er bekommt Panik, wenn er glaubt, etwas falsch zu machen. Fehler und Mißverständnisse passieren aber - ihm hier seine Panik zu nehmen ist unsere Herausforderung.



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Februar 2023

Schön langsam werden die Nerven unseres Kuschelponys wieder stärker. Seit einer gefühlten Ewigkeit hat er wieder angefangen, am Abend mit mir zu kuscheln. Mittlerweile "führen" wir schon und "gehen nicht mehr nebeneinander". Er lässt sich bereits öfter in einem seiner "ich bin weg"-Blitzstarts einbremsen - obwohl wir nur einen leichten Strick am Halfter verwenden. Das wäre noch vor einigen Wochen nicht möglich gewesen. Es zeigt wieder, das gegenseitiges Vertrauen und Respekt die Grundlage für einen sicheren täglichen Umgang ist - für ein zufriedenes, "gut erzogenes" Pferd.

Das "Füße geben" ist eine extrem schwierige und langwierige Aufgabe für uns. Beim Kellerkind war es anders - er war ein dominanter Hengst. Er hatte keine Angst, dass ihn ein ranghöherer Hengst durch das Beißen in die Vorderbeine zu Fall bringen möchte. Beim Kuschelpony ist es anders. Er hat fast panische Angst, wenn wir seine Vorderbeine "bewegen" wollen. Er verbindet das mit schlimmen Erlebnissen - ein fester Stand war für ihn überlegensnotwendig. Die Vorderbeine "knickt" ihm niemand weg. Zu Beginn flogen blitzschnell angriffsartig die Vorderbeine. Zwar nur drohend - aber trotzdem sehr unangenehm für uns. Mit viel Geduld und Ruhe haben wir es mittlerweile geschafft, ein Vorderbein anheben und halten zu können. Das zweite ist schwieriger, weil es seine "bessere" Angriffseite ist. Außerdem hat er jetzt mit "Fuß" verknüpft, das linke Vorderbein anzuheben. Wenn wir am rechten Bein stehen und "Fuß" sagen, dann hebt er das linke. Und wird ganz nervös, weil er feststellt, das ist nicht ganz das, was wir wollen. Dann sucht er sein Heil in der Flucht und "ist dann mal weg". Wobei er so intelligent ist, ganz genau zu differenzieren, ob wir putzen oder Füße geben üben. Beim Putzen können wir alle 4 Beine von oben bis zum Huf angreifen - ohne Probleme. Aber eben auch nicht anheben ....

Und für alle, die sich jetzt fragen, wie wir so lange ohne Hufschmied ausgekommen sind: Unser Paddock-Boden ist dafür ideal - alle Barfuß-Pferde bei uns müssen nur korrigiert, aber kaum gekürzt werden. Der Huf reibt sich extrem ab und unser Kuschelpony hat beinahe keine Fehlstellung.

Mittlerweile wird das "Decke hinaufgeben" auch wieder besser. Er bleibt brav stehen und hat keinen Panik-Blick mehr dabei. Außerdem passen seine Haare extrem gut zur Brombeer-Decke. Seine Spitzen sind gerade "Brombeer" farben.

Er läuft schon sehr brav mit Longiergurt (wobei er sich noch öfter darüber ärgert). Auch mit Trense, wobei er damit extrem unglücklich ist und die ganz Zeit versucht, die Trense auszuspucken. Hier ist er hartnäckig - das Kellerkind akzeptierte das viel schneller. Aber wir sind stolz auf ihn - noch vor Monaten wäre das undenkbar gewesen. Eine Trense oder ein Longiergurt auf unserem unangreifbaren Kuschelpony!



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Dezember 2022

Unser Kuschelpony hat keine Nerven mehr. Der Verlust seines besten Freundes - dem Kellerkind - hat uns in der Arbeit um mind. 3 Monate zurück geworfen. Es ist wieder so vieles in der Welt erschreckend, selbst die kuschelige, doch schon geliebte Winterdecke erzeugt Panik beim Hinaufgeben. Wobei das davor schon so gut geklappt hat. Beim Ausmisten reicht ein leises Husten und das Kuschelpony springt erschrocken und entnervt weg. Der Boxennachbar wälzt sich in seiner Box - das Kuschelpony springt an die anderen Seite seiner Box und zittert am ganzen Körper. Ein Geräusch in der Halle, das Kuschelpony springt mit Panik in den Augen weg und zittert schon wieder am ganzen Körper. Teilweise zuckt er bei meiner Berührung zusammen und es kostet ihn viel Vertrauen, nicht wegzulaufen.

Er tut uns so leid, aber gegen den Verlust des Kellerkinds sind wir machtlos. Jetzt bedeutet es, viele Schritte zurückzugehen und mit Ruhe und Geduld alles neu zu erarbeiten. Ihm zu zeigen, dass sich der Rest seiner Welt bei uns nicht verändert hat und er uns weiterhin vertrauen kann.

Mit dem Wissen, dass dort, wo er herkommt, der Tod ein ständiger Begleiter war, ist sein Verhalten umso verständlicher. Dort wo er herkommt, waren die Pferde völlig auf sich allein gestellt. Die Pferde auf der Weide starben an Hunger, Durst oder Verletzungen. Oder wurden als Fohlen bereits von ranghöheren Hengsten zu Tode gejagt. Das er dort so lange überlebt hat, ist ein kleines Wunder und wir können nur wage erahnen, was er alles erlebt hat. Er selbst hat so viele tiefe Narben an seinen Oberschenkeln, am Hals fehlt ein Stück des Muskels - herausgebissen. In seiner Unterlippe fehlt ein Stück. Als er kam, hatte er ein dickes Hinterbein, wo wir nicht wußten, ob das wieder wird (versorgen oder untersuchen war damals unmöglich). Von den zwei verschobenen Wirbeln wollen wir gar nicht reden - vermutlich von Stürzen, die er in der Hetze mit ranghöheren Hengsten hatte. Außerdem schlummert noch ein überdehntes Knieband - zeitweise sehr gut hörbar. Das ist das, was wir sehen - die Narben seiner Seele können wir nur teilweise an seinem Verhalten erkennen.

Zur Ablenkung durfte das Kuschelpony im Schnee am Reitplatz herumtoben. Er hatte dabei wirklich Spaß und war wieder kurz unbeschwehrt und kindisch. Ich nützte sofort die Gelegenheit, um jede Menge Fotos zu machen. Wer weiß, wie viele Möglichkeiten ich noch dazu bekomme....



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November 2022

Unser Kuschelpony ist ganz traurig - wie der ganze Stall. Jeder vermisst unser Kellerkind. Das Kuschelpony will nicht laufen und steht ganz traurig auf seinem Paddock. Er hat seinen großen Bruder, seinen besten Freund verloren. Das Kuschelpony und das Kellerkind waren wie Ying und Yang, wie Feuer und Wasser - jetzt fehlt die zweite Hälfte, das Feuer zum Wasser. Unser Kuschelpony war sich so sicher, bei uns passiert nichts Schlimmes - und dann das. Er hat seine bei uns gefundene Unbeschwehrtheit verloren und ist mit einem Mal viel erwachsener und in sich gekehrter geworden.

Da die 4er Tages-WG nun nur mehr aus 3 Pferden besteht, haben wir ihm ziemlich sofort einen neuen Paddock-Nachbarn dazugestellt. Auch um ihn etwas abzulenken und das leere Paddock aufzufüllen. Aber den besten Freund kann niemand ersetzten. Das Kellerkind fehlt uns allen (2 wie 4 Beinern) so unglaublich.

Ich hatte mir vorgenommen, ein Foto zu machen: Das Kuschelpony in seiner neuen brombeer-farbenen und das Kellerkind in seiner blauen Decke. Als Pendant zu den Sommerdecken. Da es an diesem Tag schlechtes Wetter und mein Handy keinen Akku mehr hatte, nahm ich mir vor, das Foto am nächsten Tag zu machen. Genau an diesem Tag ist das Kellerkind von uns gegangen und ich hatte keine Möglichkeit mehr für das Foto.



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Oktober 2022

Das Kuschelpony zeigte immer mehr Interesse am Longiergurt unseres Kellerkinds, wenn wir diesen neben ihm auf das Kellerkind gaben. Also legten wir kurzerhand den Longiergurt auch auf ihn hinauf. Er ließ es ganz brav zu, wobei sein Blick eher Skepsis ausdrückte (und nicht stolz wurde, wie der vom Kellerkind).

Dieses Monat wurden das erste Mal seine Zähne gemacht. Er war so brav dabei! Danach war er jedoch auf mich beleidigt - er strafte mich mit 1 Woche Kuschelentzung. Auch das Auftrensen brauchte wieder etwas Zeit, bis er es zuließ - genau genommen verständlich.

Die nächste Herausforderung war die Winterdecke. Sie ist anders als die Sommerdecke. Obwohl wir ihm bestimmt bereits über 100 x die Sommerdecke hinaufgegeben haben, war das Anziehen der Winterdecke "neu" für ihn. Mit etwas Geduld und Ruhe können wir ihn jetzt schon eindecken. Sehr schnell begriff er den Sinn der Decke und findet sie mittlerweile sehr gut. Mit der Zeit wird auch das Anziehen immer besser.



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August 2022

Das Kuschelpony hatte die letzten Monate Koppelpause. Es war so viel bei uns los, dass er doch etwas zu kurz kam. Führen klappt schon immer besser. Wobei es immer wieder Situationen gibt, wo er davon galoppiert. Aber nicht böse, sondern eher nach dem Motto: "Du bist mir zu langsam." Er läuft nämlich immer genau dorthin, wo man sowieso mit ihm hinwollte. Z.B. in seine Koppel oder in seine Box. Absolut treffsicher. In seinen Augen ist Führen sinnfrei, wenn er es doch allein so gut kann.

Dafür konnten wir in der letzten Woche ein Zaumzeug mit Gebiss anlegen. Zwar nur kurz, aber er lässt es brav zu. Insgesamt ist er überhaupt ein ganz freundliches, schüchternes Kerlchen. Das Kellerkind ist da viel dominanter. Manchmal vergesse ich, wer noch der Hengst ist von den beiden.

Unser Kuschelpony liebt es, geputzt zu werden - ein "Beauty-Pony" eben. Und er lässt sich mittlerweile wirklich jede Wunde versorgen. Sei es über dem Auge oder sein Sarkoid. Das macht uns momentan am meisten Sorgen.

Wir sind übrigends extrem stolz drauf, dass er als Exzemer im August noch Mähne und etwas Schweif hat. (Dahinter steckt unglaublich viel Arbeit!)

UND: Unser Kuschelpony war so brav und hat sich vom Tierarzt die Zähne ansehen lassen. Er ist 6 Jahre alt. Jetzt wissen wir es endlich!



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Juni 2022

Unser Kuschelpony wird zum kleinen Seepferd. Wir haben ihn in den letzten Wochen langsam an das Abspritzen mit Wasser gewöhnt. Er hat daran immer mehr Gefallen gefunden. Jetzt können wir auch die Mähne und den Schweif besser pflegen. Er genießt es.

Sein Blick ist viel erwachsener (und zufriedener) geworden. Und er ist extrem gewachsen .... wir sind sehr gespannt, wie groß er noch wird.



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Mai 2022

In den letzten Wochen hat unser Kuschelpony extrem viele Fortschritte gemacht. Der Umstieg auf ein gepolstertes Halfter mit Fransen ging ganz schnell. Auch die Fliegenmaske war anschließend kein Problem. Die Decke brauchte etwas mehr Zeit, aber sein Vertrauen in mich ist mittlerweile so groß, dass er auch mit Panikblick und Zittern viele Dinge zulässt. Und danach feststellt, es ist ihm nichts Schlimmes passiert.

Mittlerweile können wir auch gemeinsam über einen Strick verbunden gehen. Von echtem "Führen" sind wir noch ein wenig entfernt. Wir verwenden einen Führstrick ohne Hacken, der von der Hand über das Halfter zurück in die Hand geführt wird. Somit kann der Strick im Ernstfall ausgelassen werden und er hat nichts am Halfter hängen, wo er hineinspringen und sich verletzten könnte. Zu Beginn, wenn er Panik bekam, sprang er blitzschnell mit allen Beinen in alle Richtungen weg. Sehr uncool für mich. Als er bemerkte, er kann weg und es passiert nichts Schlimmes, wurden seine Reaktionen milder. Mittlerweile beschränkt er sich ab und zu auf einen riesen Satz ohne fligende Beine. Und auch das wird immer weniger, weil kein Zwang ausgeübt wird. Bitte nicht falsch verstehen - normalerweise muss ein Pferd gut erzogen und führbar sein. Ein "grundloses" Losreißen ist nicht erlaubt. Beim Kuschelpony ist es anders aufgrund seiner Erlebnisse. Ihn am "weg" zu hindern, ist einerseits (lebens-)gefährlich und andererseits bestärkt es ihn in seinen Panik-Erfahrungen. Wenn er weg kann, nichts passiert und er mit Ruhe wieder geholt wird, ist das bei ihm der langfristig bessere Weg - der Weg des Vertrauens. Seine Muster und Verknüpfungen müssen verändert werden.

Die ersten Koppeltage waren für das Kuschelpony unglaublicher Stress. Er hatte ständig Panik, jemand (Pferd oder Mensch) kommt, vertreibt ihn und tut ihm dabei weh. Er war immer am Aufpassen, nichts zu übersehen. Ich konnte ihn den ersten Tag, als er in der Wiese stand nicht mehr berühren. Voller Panik flüchtete er. Nach einer Stunde auf der Koppel war das Kuschelpony schweißnass vor Aufregung und mit seinen Nerven am Ende. Es dauerte ein paar Tage, um zu bemerken, dass ihn kein Pferd jagt, sondern alle auf ihn aufpassen. Und auch, dass ich neben ihm stehen kann, ihm nicht weh tue oder ihn vertreibe. Nach 2 Tagen durfte ich ihn auch wieder berühren.

Seine Reaktionen/Erfahrungen und sein "Flash-Back" zu sehen war für mich sehr bewegend und hat mich zornig und gleichzeitig traurig gemacht, was das Kuschelpony alles erleben musste. Aber unser Kuschelpony hat es verarbeitet und gelernt, jetzt ist alles anders - schöner, voller Freundlichkeit und Herzlichkeit. Mittlerweile springt er voller Lebensfreude über seine Koppel und hat Spaß mit seinen Pferde-Freunden.



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April 2022

Unserem Kuschelpony ein Halfter anzulegen gestaltet sich als ganz besonders knifflige Aufgabe. Er verbindet mit einem normalen Halfter so viel Negatives und hat offensichtlich gelernt, dass ein Halfter Misshandlungen mit sich bringt und er nicht weg kann. Daher haben wir es vorübergehend mit einem Knotenhalfter, das dem bisher verwendeten Stick sehr nahe kommt, probiert. Zu unserer Freude akzeptierte er es. Sogar die Fliegenfransen waren auf Anhieb kein Problem. So verknüpfen wir etwas Positives mit dem Halfter. Es hilft gegen lästige Fliegen und keiner will ihn damit festhalten. Das begriff er in kürzester Zeit und stand bald zufrieden dösend am Paddock.

Das Halfter ohne Aktion von uns am Kuschelpony ist der erste Schritt, unser nächstes Ziel ist es, damit auf den Kleinen einwirken zu können (sprich z.B. Führen). Dazu müssen wir aber vorher den Umstieg auf ein normales, gepolstertes Halfter schaffen. Wir sind kein Freund von Knotenhalfter, da die Wirkung extrem scharf ist. Und wir wollen ihm alles mit Ruhe und ohne Druck oder gar Schmerz lernen.

Wie lange hat er jetzt für das Halfter gebraucht? .... 3 Monate .... Wahnsinn .... Wobei, für die Berührung braucht er satte 4 Monate. Wir werden schneller!

ABER: Unser Kuschelpony hat in den letzten Wochen viele weitere Lernfortschritte gemacht. Er entwickelt sich immer mehr zum "Beauty-Pony". Mähne und Schweif einsprühen ist kein Problem, er besteht täglich auf seine Putzstunde mit anschließender Mähnenpflege/-verarztung. Er hebt schon brav die Vorderbeine auf Berührung und Kommando kurz hoch. Ebenfalls hat er seine erste Impfung völlig ruhig über sich ergehen lassen. Da waren wir besonders stolz auf ihn!

Unser Kuschelpony ist so ein freundliches, liebes und neugieriges Pferd. Er ist in keinester Weise (von seinem Charakter) dominant oder gar agressiv. Was muss er nur alles erlebt haben?



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März 2022

Mein Ziel, die Kletten aus seinem Schweif zu entfernen ist erreicht. Sie sind endlich weg - zu unserer großen Freude! Er hat sehr brav still gehalten. So nebenbei können wir (ja, richtig - Mehrzahl!) ihn schon vollständig putzen. Es ist so toll zu sehen, dass er schön langsam auch andere Personen (außer mich) an sich heran lässt. Die Arbeit mit dem Strick (geplant als vorübergehender Halfterersatz) nimmt er auch ganz toll an. Den Strick über die Nase und den Hals legen klappt bereits gut, nur auf seine Ohren ist er noch sehr heikel.



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Februar 2022

Mittlerweile lässt er sich von mir am ganzen Körper (bis zum Schweifansatz!) mit den Händen berühren. Mein nächstes Ziel ist es, die vielen Kletten aus seinem Schweif zu entfernen. Das braucht aber noch ein wenig Zeit. Trotzdem ein enormer Fortschritt für den kleinen Hengst. Ich darf auch schon seinen wundgescheuerten, total verschuppten Mähnenansatz verarzten. Wenn es unangenehm wird, dann geht er etwas auf Distanz. Mit viel Geduld und Zeit schaffen wir dann doch die ganze Mähne - die Haut darunter ist in so schlimmem Zustand...



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Jänner 2022

Wir sind so glücklich und so stolz auf das Kuschelpony! Kein Halfter mehr! Er hat es mir erlaubt, ihm das Halfter abzunehmen. Unfassbar..... Jetzt brauche ich bestimmt wieder Wochen, bis er sich ein Halfter hinaufgeben lässt! Das Halfter hat über die lange Zeit schon Scheuerstellen verursacht. Und wenn man das Pferd damit sowieso nicht führen kann, ist es so jetzt sicher besser!



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Dezember 2021

Unser kleiner Hengst ist tief drinnen ein echtes Kuschelpony - so paradox das klingt für ein Pferd, das man nicht berühren darf.

Vertrauen kann man nicht erzwingen, sondern nur erarbeiten. In jeder kleinen Situation. Und wie wir immer sagen: "Das Lerntempo bestimmt das Pferd." Ist man zu schnell, kann das Pferd nicht mit und das Vertrauen geht verloren. Sein vorgegebenes Lerntempo war von äußerster Vorsicht geprägt (er ist extrem schlau!) und dementsprechend langsam - für uns eine echte Geduldsprobe.

Aber die kleinen Fortschritte waren da - jetzt darf ich unser Kuschelpony mit meinem Körper berühren. Er fordert diese "Kuschelstunden" schon beinahe ein.

Er muss extrem schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben. Es kostete mich Wochen, an seine linke Seite zu dürfen. Menschliche Hände sind furchtbar und am Halfter darf keiner ankommen. Darum freut es mich umso mehr, dass er jetzt so viel Vertrauen hat, mit mir auf seine vorsichtige Weise zu kuscheln.

Schön langsam weicht aus seinem Blick die Angst und er schaut einen viel freundlicher an.



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November 2021

Die letzten Wochen war wirklich spannend und nicht unbedingt einfach. Immerhin dürfen wir jetzt beim Kleinen ausmisten, ohne Gefahr zu laufen, angesprungen zu werden. Trotzdem waren einige, wenige Situationen dabei, die uns Adrenalin-Stöße beschert haben. Es hat etwas gedauert, bis er sich traute, ein Leckerli aus meiner Hand zu nehmen bzw. überhaupt so nahe an meine Hand zu kommen.

Das Ergebnis unserer Arbeit ist extrem positiv. Zwar lässt sich der Kleine immer noch nicht angreifen (das wird noch ewig dauern), aber er sucht die Nähe und folgt mir völlig frei. Das bedeutet einen enormen Vertrauensbeweis mir gegenüber. Wir überspringen sozusagen die Grundlagen und befinden uns sofort in der Freiheitsdressur. Wobei das genau richtig ist, denn wenn eine Vertrauensbasis aufgebaut ist, dann kommen diese Dinge von allein. All unsere Pferde gehen freiwillig mit und nicht, weil wir sie am Strick halten.

In der ersten Woche haben wir ihm gelernt, dass wir seinen Raum respektieren, er aber auch unseren Raum akzeptieren muss. Und er erst zu uns kommen darf, wenn wir ihm das erlauben. Das Resultat ist wirklich super! Für ihn ein riesen Fortschritt und für uns bedeutet es, etwas mehr Sicherheit im täglichen Umgang.

Da er mir ab der zweiten Woche frei nachging, war es möglich, mit ihm in die Halle zum Freilaufen zu gehen. Er lernte sehr schnell, seine Runden (brav oder lustig herumspringend) zu laufen. Und kam immer neugierig und vorsichtig zu mir, um sich sein Belohnungsleckerli abzuholen. Vor der Schnelligkeit und Reichweite seiner Vorderbeine haben wir gehörigen Respekt. Obwohl er das bisher nie gegenüber uns eingesetzt hat.