Oktober 2022
Das Kuschelpony zeigte immer mehr Interesse am Longiergurt unseres Kellerkinds, wenn wir diesen neben ihm auf das Kellerkind gaben. Also legten wir kurzerhand den Longiergurt auch auf ihn hinauf. Er ließ es ganz brav zu, wobei sein Blick eher Skepsis ausdrückte (und nicht stolz wurde, wie der vom Kellerkind).
Dieses Monat wurden das erste Mal seine Zähne gemacht. Er war so brav dabei! Danach war er jedoch auf mich beleidigt – er strafte mich mit 1 Woche Kuschelentzung. Auch das Auftrensen brauchte wieder etwas Zeit, bis er es zuließ – genau genommen verständlich.
Die nächste Herausforderung war die Winterdecke. Sie ist anders als die Sommerdecke. Obwohl wir ihm bestimmt bereits über 100 x die Sommerdecke hinaufgegeben haben, war das Anziehen der Winterdecke „neu“ für ihn. Mit etwas Geduld und Ruhe können wir ihn jetzt schon eindecken. Sehr schnell begriff er den Sinn der Decke und findet sie mittlerweile sehr gut. Mit der Zeit wird auch das Anziehen immer besser.
November 2022
Unser Kuschelpony ist ganz traurig – wie der ganze Stall. Jeder vermisst unser Kellerkind. Das Kuschelpony will nicht laufen und steht ganz traurig auf seinem Paddock. Er hat seinen großen Bruder, seinen besten Freund verloren. Das Kuschelpony und das Kellerkind waren wie Ying und Yang, wie Feuer und Wasser – jetzt fehlt die zweite Hälfte, das Feuer zum Wasser. Unser Kuschelpony war sich so sicher, bei uns passiert nichts Schlimmes – und dann das. Er hat seine bei uns gefundene Unbeschwehrtheit verloren und ist mit einem Mal viel erwachsener und in sich gekehrter geworden.
Da die 4er Tages-WG nun nur mehr aus 3 Pferden besteht, haben wir ihm ziemlich sofort einen neuen Paddock-Nachbarn dazugestellt. Auch um ihn etwas abzulenken und das leere Paddock aufzufüllen. Aber den besten Freund kann niemand ersetzten. Das Kellerkind fehlt uns allen (2 wie 4 Beinern) so unglaublich.
Ich hatte mir vorgenommen, ein Foto zu machen: Das Kuschelpony in seiner neuen brombeer-farbenen und das Kellerkind in seiner blauen Decke. Als Pendant zu den Sommerdecken. Da es an diesem Tag schlechtes Wetter und mein Handy keinen Akku mehr hatte, nahm ich mir vor, das Foto am nächsten Tag zu machen. Genau an diesem Tag ist das Kellerkind von uns gegangen und ich hatte keine Möglichkeit mehr für das Foto.
Dezember 2022
Unser Kuschelpony hat keine Nerven mehr. Der Verlust seines besten Freundes – dem Kellerkind – hat uns in der Arbeit um mind. 3 Monate zurück geworfen. Es ist wieder so vieles in der Welt erschreckend, selbst die kuschelige, doch schon geliebte Winterdecke erzeugt Panik beim Hinaufgeben. Wobei das davor schon so gut geklappt hat. Beim Ausmisten reicht ein leises Husten und das Kuschelpony springt erschrocken und entnervt weg. Der Boxennachbar wälzt sich in seiner Box – das Kuschelpony springt an die anderen Seite seiner Box und zittert am ganzen Körper. Ein Geräusch in der Halle, das Kuschelpony springt mit Panik in den Augen weg und zittert schon wieder am ganzen Körper. Teilweise zuckt er bei meiner Berührung zusammen und es kostet ihn viel Vertrauen, nicht wegzulaufen.
Er tut uns so leid, aber gegen den Verlust des Kellerkinds sind wir machtlos. Jetzt bedeutet es, viele Schritte zurückzugehen und mit Ruhe und Geduld alles neu zu erarbeiten. Ihm zu zeigen, dass sich der Rest seiner Welt bei uns nicht verändert hat und er uns weiterhin vertrauen kann.
Mit dem Wissen, dass dort, wo er herkommt, der Tod ein ständiger Begleiter war, ist sein Verhalten umso verständlicher. Dort wo er herkommt, waren die Pferde völlig auf sich allein gestellt. Die Pferde auf der Weide starben an Hunger, Durst oder Verletzungen. Oder wurden als Fohlen bereits von ranghöheren Hengsten zu Tode gejagt. Das er dort so lange überlebt hat, ist ein kleines Wunder und wir können nur wage erahnen, was er alles erlebt hat. Er selbst hat so viele tiefe Narben an seinen Oberschenkeln, am Hals fehlt ein Stück des Muskels – herausgebissen. In seiner Unterlippe fehlt ein Stück. Als er kam, hatte er ein dickes Hinterbein, wo wir nicht wußten, ob das wieder wird (versorgen oder untersuchen war damals unmöglich). Von den zwei verschobenen Wirbeln wollen wir gar nicht reden – vermutlich von Stürzen, die er in der Hetze mit ranghöheren Hengsten hatte. Außerdem schlummert noch ein überdehntes Knieband – zeitweise sehr gut hörbar. Das ist das, was wir sehen – die Narben seiner Seele können wir nur teilweise an seinem Verhalten erkennen.
Zur Ablenkung durfte das Kuschelpony im Schnee am Reitplatz herumtoben. Er hatte dabei wirklich Spaß und war wieder kurz unbeschwehrt und kindisch. Ich nützte sofort die Gelegenheit, um jede Menge Fotos zu machen. Wer weiß, wie viele Möglichkeiten ich noch dazu bekomme….